12.01.2023 – Die neue Siedlung Büelhalde Oberrieden ZH wird mit einem Mix aus Solar, Erdwärme und Wasserstoff versorgt. Die Baugenossenschaft Zurlinden wird damit ihrem Ruf als Pionierin mit Wasserstoff im Wohnbereich einmal mehr gerecht.
Eigentlich hätten wir gerne eine autarke Siedlung gebaut», erklärt Zurlinden-Präsident und Energiefachmann Stefan Kälin und liefert dazu Zahlen: Die 47 Wohnungen in den drei Mitte 2022 bezogenen Mehrfamilienhäusern haben einen Verbrauch von rund 190 000 Kilowattstunden pro Jahr. Dank den grossen Dachflächen der leicht abgestuften Bauten bringt es die solare Produktion auf 204 000 Kilowattstunden. «Wir dürfen immer wieder staunen, wie viel Kraft die Sonne hat und wie gross das Potenzial der Solarenergie ist», würdigt Kälin. Diese solare Produktion würde für die autarke Versorgung ausreichen, leider nur theoretisch ohne Einbezug von Standort und Wettersituation. Was Kälin damit meint: Würde Oberrieden am Äquator mit uneingeschränkter Sonneneinstrahlung liegen, wäre die Siedlung locker energiepassiv. In Oberrieden aber strahlt die Sonne in einem weniger optimalen Winkel als am Äquator und erst noch saisonal und meteorologisch sehr unterschiedlich. Deshalb muss so viel Energie wie möglich gespeichert werden können.
Sonne, Erdwärme, Wasserstoff
Hier kommt nun Wasserstoff ins Spiel: Damit kann man Energie speichern und transportieren. Als Sekundärenergie ist Wasserstoff bei allen Herstellungsarten auf Primärenergie angewiesen. Eine umweltfreundliche Energieerzeugung mittels Wasserstoffes findet erst dann statt, wenn der Wasserstoff mit regenerativen Energiequellen erzeugt wird. Wasserstoff «funktioniert» also nicht allein, sondern beispielsweise in Verbindung mit einer PV-Anlage oder einer Wärmepumpe. «Genau das haben wir in Oberrieden gemacht», so Kälin. Und zwar aus Überzeugung, wie Zurlinden-CEO Jan Baumgartner sagt: «Wird Wasserstoff mit Wind, Sonne oder Biomasse gewonnen, gibt es kein Kohlendioxid oder andere schädliche Emissionen.»
Speicherung ohne Grenzen
Hier liegt ein entscheidender Vorteil von Wasserstoff. Die mittels Elektrolyse umgewandelte Energie kann endlos gespeichert werden. Aber nicht mit Batterien (wie bei der Elektrospeicherung), sondern eben in Wasserstoffflaschen. In diesen könne man laut Kälin zeitlich unbegrenzt speichern. Und sie seien erst noch wesentlich günstiger als Speicherbatterien. Bei letzteren gebe es zudem kritische Themen wie graue Energie, fragwürdiger Abbau von Lithium und Kobalt, deren Transporte sowie das Recycling. «Alle diese kritischen Punkte gibt es bei der Wasserstoffspeicherung in konventionellen Gasflaschen nicht», so Kälin.
Erstmals im grossen Stil
Die Baugenossenschaft Zurlinden mit aktuell über 2000 Wohnungen ist schon lange auf Wasserstoff-Pfaden unterwegs. 2016 startete sie mit einem ersten Versuch. Einige Wohnungen im Mehrfamilienhaus Hüttengraben Zürich wurden mit Wasserstoff versorgt – kombiniert mit einer Wärmepumpe. Seither sind die Wohnungen zu rund 85 Prozent autark versorgt. 2019 kamen einige Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus an der Bockhornstrasse 1 in Zürich hinzu. Auch diese Erfahrungen sind positiv ausgefallen. «Deshalb haben wir jetzt zu einem grösseren Sprung angesetzt», so Baumgartner, «Wasserstoff in einer neu erstellten Siedlung mit 48 Wohnungen plus Gemeinschaftsraum in den Energiemix einzubauen.» Die Zurlinden-Verantwortlichen sind selbst gespannt, wie und ob dieser zweite Schritt funktioniert. Im Frühsommer kann eine erste Bilanz gezogen werden.
Wasserstoff ist zu teuer
Es spricht also vieles für den Einbezug von Wasserstoff in den Energiemix von Wohnhäusern. Dass es bis jetzt noch nicht zum grossen Durchbruch gekommen ist, hat ökonomische Gründe. Kälin: «Wasserstoff ist zu teuer, er ist teurer als Strom oder Wärme, die direkt aus der Erstquelle produziert werden und nicht umgewandelt werden müssen.» Für diesen Prozess der Umwandlung braucht es die Elektrolyse. Die Einspeisung der überschüssigen Solarenergie ins Netz ist im Moment nach wie vor nicht interessant, weil der Einspeisetarif tiefer ist als die Produktionskosten.